Weißweincuvées haben in Deutschland einen schweren Stand. Bei uns gilt reinsortig von je her als irgendwie besser, hochwertiger - vielleicht findet diese Einstellung ihren Ursprung im 18. Jahrhundert, als man langsam begann, in den besten Lagen den Risiken minimierenden Gemischten Satz durch reinsortige Bepflanzung mit hochwertigen Rebsorten, allen voran Riesling, zu ersetzen. Technisch und logisch gibt es jedoch keinen Grund zu glauben, ein großer Wein dürfte nur aus einer Rebsorte gekeltert sein. In der Rioja und im Bordeaux (Sauternes, Entre deux Meres) werden berühmte und zum Teil sehr hochpreisige weiße Cuvées hergestellt. Auch der Champagner ist meistens ein Verschnitt mehrerer Rebsorten. In Österreich gibt es viele weiße Assemblagen jenseits der 15 Euro. Wie bei roten Cuvées auch lässt sich durch gekonntes Kombinieren verschiedener Rebsorten Komplexität und Harmonie erzielen. Die Palette der Möglichkeiten wird logischerweise durch viel mehr Stellschrauben erweitert. Dennoch: In Deutschland finden sich weiße Cuvées häufig in den Basislinien der Weingüter wieder - als sommerlich-süffige Gutsweine, oft mit fancy Namen versehen, die den hedonistischen, jugendlichen Charakter unterstreichen sollen. Vermutlich kommt es hier zu einer Art self-fulfilling prophecy: Der Kunde ist nicht bereit, für weiße Cuvées höhere Preise zu zahlen, weshalb die Winzerin gar nicht versucht, höherwertige aus mehreren Rebsorten gekelterte Weißweine zu vermarkten. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eines muss klargestellt werden: Es spricht gar nichts gegen spaßige, einfache Weine und wenn sie gut gemacht sind, können sie einem den Feierabend oder das Wochenende auf der Terrasse versüßen. Wer will schon jeden Tag was kompliziertes trinken? Von diesen unkomplizierten, handwerklich gut gemachten Einstiegscuvées finden sich einige besonders empfehlenswerte in unserer Bestenliste. Sie sind meistens preisgünstig und die viel bessere Alternative zum industriell gefertigten Discounterwein. Beim Verkosten bekommt man den Eindruck, einen Unterschied zu bemerken zwischen liebloser Resteverwertung und einer durchdachten Assemblage, die einem klaren Plan folgt.
An erster Stelle steht ein Wein, der wirklich gar nichts mit den zuvor diskutierten einfachen, süffigen easy-drinking Gutsweinen gemein hat. Trotzdem macht der Wein Spaß und er taugt, mit etwas Mut zum Ungewohnten, wunderbar zum Sundowner aufm Balkon. Naturweine sind nicht jedermanns Sache, das wissen sie auch bei Ploder-Rosenberg in der Steiermark. Nichtsdestotrotz hat sich der Mut, mit dem Kara einen minimalbehandelten Wein anzustellen, voll ausgezahlt. Mit einer Bewertung von 9.0 Punkten kann die Cuvée aus 50% Souvignier Gris und 50% Bronner (Piwis!) auch unsere jungen Weintrinker*innen voll überzeugen. Das besondere an diesem Wein ist sicherlich seine Struktur, sein feiner Grip und Schmelz. Spontan vergorene Weine überzeugen oft mit ihrer Tiefe, das konnten wir bei dieser Verkostung wieder feststellen. Die Verkoster*innen kleben förmlich am Glas und schenken sich nach, weil da immernoch mehr zu sein scheint. Für fortgeschrittene Weinfans sei noch erwähnt, dass es sich um recht junge Reben handelt (was bei der ganzen Piwi-Geschichte häufig in der Natur der Sache liegt), der Wein komplett durchgegoren ist, in großen Fässern lag, ein Jahr Vollhefe, ein halbes auf der Feinhefe genießen durfte und unfiltriert abgefüllt wurde. Der Wein wird sicherlich eine spannende Entwicklung hinlegen.
Ploder-Rosenberg - Kara 2018 | Souvignier Gris & Bronner | Steiermark (A) | 13,00 € | 9.0 |
Egon Schmitt - drei Reben Cuvée Blanc 2018 (halbtrocken) | Müller-Thurgau, Scheurebe & Cabernet Blanc | Pfalz | 8,50 € | 9.0 |
Reichsrat von Buhl - Reserve brut Sekt | Weißburgunder & Chardonnay | Pfalz | 16,90 € | 8.9 |
Brenneis-Koch - Leistadter Kirchenstück Scheurebe + Riesling Spätlese 2018 (lieblich) | Scheurebe & Riesling | Pfalz | 11,80 € | 8.9 |
Weinhof Leitner - Souvignier Gris & Muscaris 2018 trocken | Souvignier gris & Muscaris | Steiermark (A) | 8,00 € | 8.8 |
WG Rohracker - Bix 2017 (halbtrocken) | Sauvignon Blanc, Kerner, Silvaner & Müller-Thurgau | Württemberg | 5,60 € | 8.8 |
Ploder-Rosenberg - Blanca 2017 (orange wine) | Souvignier Gris, Grauburgunder, Grüner Veltliner & Bronner | Steiermark (A) | 20 € | 8.7 |
Hauer - Saubande lieblich 2018 | Cabernet Blanc & Weißburgunder | Pfalz | 7,10 € | 8.7 |
Hensel - Aufwind Weißburgunder & Chardonnay 2018 | Weißburgunder & Chardonnay | Pfalz | 8,90 € | 8.7 |
Franz Keller - Petit Adler brut Sekt 2016 | Riesling & Müller-Thurgau | Baden | 12,00 € | 8.7 |
Freiherr von Gleichenstein - Phi & Lou Secco 2018 (halbtrocken) | Müller-Thurgau, Weißburgunder & Sauvignon Blanc | Baden | 6,50 € | 8.7 |
Hammel & Cie - Lirum Larum 2018 | Grüner Veltliner, Scheurebe & Sauvignon Blanc | Pfalz | 9,50 € | 8.6 |
Hammel & Cie - Liebfraumilch 2018 (lieblich) | Müller-Thurgau, Kerner, Riesling & Scheurebe | Pfalz | 5,95 € | 8.6 |
Frédèric Fourré - Chimäre de Saxe 2017 (halbtrocken) | Grauburgunder & Spätburgunder | Sachsen | 15,00 € | 8.6 |
Schäfer - Ovis Weißwein-Cuvée 2017 | Helios & Johanniter | Württemberg | 6,20 € | 8.6 |
Egon Schmitts Drei Reben-Linie konnte von hinten bis vorne überzeugen. Neben einem Rotwein und einem Rosé stellte der Pfälzer eine weiße Cuvée aus Müller-Thurgau, Scheurebe und Cabernet Blanc an. Der Drei Reben Blanc 2018 balanciert schön zwischen Süße und Säure und zwischen Aromatik und Frische. Schmeckt nach Apfel und Stachelbeere. Ein richtig schönes Beispiel für einen gut gemachten Wein im Basissegment.
Das die beim Reichsrat von Buhl richtig guten Sekt machen überrascht keinen mehr. Geprägt wurde die Stilistik des Hauses durch den früheren Kellermeister, Mathieu Kauffmann. Der Elsässer galt vor seiner Zeit bei von Buhl lange als einer der besten Kellermeister der Champagne. Die Frage war nun: Kann dieser von der Kritik und Weinprofis gefeierte Sekt auch ein junges Publikum überzeugen? Er kann, wie unsere Verkostung zeigt. Brut-Sekt hat es nicht immer leicht, aber dieser hier ist so rund und wahrscheinlich durch den hohen Anteil an Weißburgunder auch so fein, dass auch Einsteiger*innen ihn angenehm zu trinken finden.
Die Leistadter Kirchenstück Scheurebe + Riesling Spätlese 2018 von Brenneis-Koch ist die hochwertigere Interpretation einer lieblichen Weißweincuvée. Da trifft die verspielte Aromatik der Scheurebe mit der Frische des Rieslings auf die höhere Restsüße und das ganze ist so reif, so klar. Kein bisschen klebrig oder plump. Der Wein ist wunderbar ausbalanciert und hat Länge. Hier eine ganz persönliche Einschätzung des Texters: Für mich als Trockentrinker einer der überraschendsten Weine des Abends und sicherlich der überzeugendste restsüße Wein. Das würde ich mir ins Regal legen falls ich asiatisch koche und Gäste habe.
Wieder ein Steirer: Der Souvignier Gris & Muscaris 2018 des Weinhofs Leitner ist auch so eine durchdachte weiße Assemblage, wo nicht einfach zusammengekippt wurde, was übrig war sondern ganz gezielt ein Charakter geschaffen werden sollte. Der Souvignier Gris verleiht dem Wein die Fülle und Cremigkeit, die dem Muscaris oft abgeht, der Muscaris sorgt für die Muskat-Würze, die durch die präzise Dosierung nicht zu parfümiert ausfällt, sondern genau richtig eingestellt ist. Ein richtig guter Wein für einen mehr als fairen Preis.
Der Bix 2017 der Weingärtnergenossenschaft Rohracker ist ein Preis-Genuss-Kracher, der sich als günstiger halbtrockener Wein wunderbar für Parties oder als Alltagswein deiner WG eignet. Das ist fruchtig, ein klein bisschen blumig und genau das richtige für alle, die gerne "nicht so sauren" Weißwein mögen!
Viele experimentelle- und Naturweine hatten es sehr schwer bei unserer Verkostung. Da waren einige Dinger dabei, die von Freaks richtig gefeiert werden und teilweise auch echt nicht billig sind - bei unserer jungen und nicht übermäßig sophisticateten Jury aber eben nicht ankamen. Umso erstaunlicher ist es, wie Ploder-Rosenberg abgeräumt hat. Sogar ihr Orange Wine, der Blanca 2017 hat es mit einer sehr guten Bewertung in diese Bestenliste geschafft. Diesen Spagat zwischen außergewöhnlichen, spannenden Weinen und Trinkfreude auch für nicht-Naturwein-Trinker*innen so zu meistern ist eine wirklich erstaunliche Leistung. Der Wein duftet nach Kräutern und Nüssen. Abgefahrener Stoff - kann man mal probieren!