Die "Restekategorie" der reinsortigen Weißweine, die weder Riesling, Burgunder, Silvaner noch vom Sauvignon Blanc-Typus sind, enthält sehr hochwertige und ausgezeichnet bewertete Weine. Es fällt auf, dass hier Weine mit höheren Restzuckerwerten gut abschneiden. Zur Erinnerung: Beim Riesling war es genau andersherum, trockenere Weine wurden dort tendenziell besser bewertet. Außerdem auffällig: Die hohe Zahl von Muskat-Rebsorten. Alleine die Piwi-Variante des Muskatellers, der Muscaris, ist vier mal in den top 15 vertreten.
Gewonnen hat aber ein Kerner - übrigens der einzige der ganzen Verkostung. Die edelsüße Kerner Beerenauslese des Weinguts Clauer aus Heidelberg stellte das Aromenfeuerwerk des Abends. Die Reife schadet dem Wein keineswegs - vermutlich sind da sogar noch ein paar Jahre drin. Honig, Rosinen, Nüsse und exotische Früchte - eine absolute Empfehlung für alle, die sich an das Thema edelsüße Weine heranwagen möchten, ohne gleich ein Vermögen auszugeben!
Süß geht es weiter mit Hafners Otto musthaveamuscat in der etwas gewöhnungsbedürftigen blauen Flasche. Es handelt sich um eine süße Spätlese der Rebsorte Muskat Ottonel. Das ganze ist koscher und bio und schmeckt intensiv nach exotischen Früchten wie Litschi und Mango.
Aromatisch in eine ähnliche Kerbe schlägt der liebliche Morio Muskat im Liter vom Weinhaus Franz Hahn. Das ganze ist aber nicht ganz so intensiv und deutlich leichter und süffiger ausgelegt.
Eine ganz andere Geschichte ist Franzi Schömigs Müller Thurgau sponti von 2017. Hier haben wir einen viel leiseren, seriöseren Wein, der dank spontaner Vergärung ein klein bisschen vielschichtiger und vielleicht auch langlebiger zu sein scheint als sie meisten Müller-Thurgaus. Typisch für Franziska Schömig ist die gelungene Textur mit feinem Schmelz, die diesen Müller von anderen abhebt.
Die Auftakt Muscaris Beerenauslese des Weinguts Abthof in Rheinhessen punktet mit exotischer Aromenvielfalt und kann der Süße eine feine Säure gegenüberstellen. Das Passt sicher gut zu Ziegenkäse oder einem fruchtigen Dessert.
Thomas Hammel ist ein Meister, wenn es darum geht, die Primäraromen einer Traube in den Vordergrund zu stellen. Das ist ihm auch mit seinem in the mood for Müller gelungen - der die Apfel-Blumenwiesen Aromatik des Müller-Thurgau frisch auf den Punkt bringt ohne dabei zu blubberlutschig zu sein.
Eine spannende Erkenntnis ist, dass Johanniter sich sehr gut für die Herstellung von Schaum- und Perlweinen zu eignen scheint! Sowohl der Jacques Sekt brut nature 2015 von Dr. Wobar aus Brandenburg (!), der Johanniter Sekt brut 2015 von Andreas Dilger als auch der Josecco vom Weingut im Hagenbüchle wurden aus der Piwi gekeltert, die stilistisch irgendwo zwischen Riesling und Burgunder liegt. Die Sprudler sind entsprechend etwas frischer und fruchtiger als der klassisch cremige und etwas herbe Burgundersekt.
Der Grüne Veltliner, heute die weiße Paradesorte der Wachau und Österreichs, wurde vor 200 Jahren auch in Deutschland häufig angebaut. Damals stand er im gemischten Satz, wurde aber wegen der niedrigeren Temperaturen zu dieser Zeit häufig nicht ganz reif. Das ist heute kein Problem mehr, warm genug ist's allemal bei uns. Vielleicht schafft es die Rebe ja zum Comeback - Thomas Hensels Aufwind Grüner Veltliner zeigt, wie es gehen könnte: frisch, fruchtig, mit typischen Apfel- und Birnenaromen, Schmelz und "Pfefferl".