Der zweite Tag unserer Reise führt uns ins Zentrum von Tierra de Barros und dem Sitz des Verwaltungsrates der D.O. Ribera del Guadiana. Wir passieren noch einmal Villafranca de los Barros und fahren ins Gewerbegebiet der Stadt Almendralejo, zu Viñaoliva, dem größten Weinproduzenten der Extremadura und dem fünftgrößten Spaniens. Neben Olivenöl produziert die Kooperative, der 25 Mitgliedskooperativen untergeordnet sind, rund 200 000 Liter Wein. Über die Hälfte der Rebfläche der Extremadura sind diesem Betrieb zuzuordnen. Der Großteil der Produktion entfällt auf Faßweine und einfache Tafelweine. Das Haus verfügt jedoch auch über eine eigene Weinkellerei, in der eigene Weine für den Export gekeltert werden. Hier empfängt uns Matthew Stewart, ein britischer Gentleman mit akzentfreiem Spanisch, der bereits seit 17 Jahren in der Extremadura lebt. Der studierte Linguist und Oxford-Absolvent ist der Vater des Zaleo-Projektes, kümmert sich um den Export und zusammen mit dem Önologen Manuel García ums Blending, die Assemblage der Weine. Sein Ziel formuliert Matthew deutlich: Jeder Weinladen hat einen italienischen, einen französischen und einen spanischen "Hauswein" - der Zaleo soll der Hauswein aus Südspanien sein! Dabei setzt er auf bodenständige, einfache und günstige Weine, die er direkt und ohne Importeur an den Fachhandel verkauft. So werden Kosten gespart und der Endkunde erhält das gleiche Produkt zum günstigeren Preis. Die Trauben der Weine kommen ausschließlich aus den angeschlossenen Genossenschaften der Subzone Tierra de Barros und werden in der gekühlten Halle der Kellerei verarbeitet. "Die Hitze ist das große Problem in der Extremadura" sagt Matthew, mit ihr gelte es umzugehen. Der Lehmboden der Gegend helfe dabei, indem er das wenige Wasser länger speichert. Und das Blending? Die Schwierigkeit liege darin, beim Blending zu erahnen, wie der Wein sich entwickelt. Der Wein soll nicht zum Zeitpunkt der Assemblage am besten schmecken, sondern, wenn man ihn öffnet. Matthew hat die passende Metapher parat: "Wann ist ein Mann am schönsten? Vielleicht mit 35. Aber wenn man ihn mit 35 in die Flasche füllt, sind ihm beim Öffnen die Haare ausgefallen!"
Wir dürfen verkosten: Den semidulce ersparen wir uns, der halbtrockene Weißwein wird ohnehin vor allem für den heimischen Markt produziert. Wir beginnen mit dem weißen Pardina 2016. Diese autochthone Rebsorte ähnele dem Macabeo Nordspaniens, nur sei sie eben besser an das heiße Klima des Südens angepasst, erklärt uns Matthew. Wie versprochen erhalten wir einen frischen, fruchtigen Wein mit floralen- und Zitrusnoten, der sich schön abgestimmt und ausgewogen präsentiert. Matthew bringt es auf den Punkt: "honest, light and fresh". Der Wein hat 12% und sollte, so unser Gastgeber, bis Weihnachten getrunken werden. Gleiches gilt für den aus Tempranillo gekelterten Rosado: Er zeigt sich schmelzig, mit Aromen von Himbeere, Erdbeere und etwas Zitrusfrüchten ist dem Rotwein etwas näher als manch anderer Rosé. Davon zeugen auch ganze 13,5% Alkohol!
Vom Einstiegs-Rotwein Zaleo Tempranillo, hierzulande für rund vier Euro zu erwerben, probieren wir gleich zwei Jahrgänge. Der Unterschied ist gewaltig: Während der 2016er jung, ungestüm, wild und kräftig daherkommt, zeigt sich der 15er weicher, beeriger und überraschend samtig. Unser Gastgeber bevorzugt übrigens die jüngere Variante und ist sich außerdem sicher, dass der 16er besser ist, als der 15er zu diesem Zeitpunkt war. So oder so: Es handelt sich um einen ehrlichen, soliden Wein mit anständigem Nachhall und etwas Potenzial, ganz ohne Holzfassausbau. In Deutschland ist der Wein für rund vier Euro im Fachhandel zu haben, das ist ein mehr als fairer Preis für einen mehr als ordentlichen Alltagswein.
Ins Holzfass kommen Zaleo Selección und Zaleo Premium. Für beide wird das gleiche Traubenmaterial verwendet, dass den Weinen die benötigte Struktur für den sechs- bis achtmonatigen Holzfassausbau mitgibt. Die Fässer werden nur gebraucht verwendet, damit die Primäraromen nicht vom Holz überlagert werden. Für den Selección wird amerikanische Eiche verwendet, die dem Wein typische intensiv-würzige Noten von Vanille und Zimt verleiht, die mit den dunklen Beeren-Aromen des Tempranillo schön harmonieren. Im Nachhall präsentiert er sich samtig, die süßen Tannine erinnern an Karamell. Der Premium hingegen lagerte auf französischer Eiche. Dementsprechend subtiler sind die Aromen des Holzfasses ausgeprägt, während der Wein insgesamt mehr Frucht zeigt. Der Preisunterschied zwischen den Weinen (Selección 6€, Premium 8€ in Deutschland) erklärt sich nicht durch qualitative Unterschiede, sondern schlicht damit, dass die Herstellung der Fässer mit französischer Eiche sehr viel aufwändiger und teurer ist.
Komplettiert wird die Linie durch den Grácil de Zaleo von 2014, einer Cuvée aus 60% Tempranillo und 40% Graciano. Dieser auf 7 000 Flaschen limitierte tinto hat schon einige Preise abgeräumt, unter anderem Silber beim Concours Mondial de Bruxelles. Matthew belüftet den Wein aufwändig, indem er ihn immer wieder von einem Glas ins andere gießt: "Diesen Wein müsst ihr unbedingt aerifizieren!" rät er uns. Es handelt sich um eine stilistische Mischung aus einem gereiften dunklen Rotwein, der immerhin 14 Monate im Holzfass verbracht hat und ordentliche 14,5% auf die Alkoholwage bringt und dem für die Region typischen Trinkwein, der genügend Frische mitbringt, um auch an heißen Abenden genossen zu werden. Die Säure des Graciano lässt den Wein leichter erscheinen und macht ihn angenehm zu trinken. Matthew drückt es so aus: "der Graciano gibt dem Wein die gracia", also die Anmut oder Grazie, auf die sich auch der Name bezieht. In der Tat verströmt der Wein kurz nach dem Öffnen einen etwas strengen Duft, der aber bei Luftkontakt sehr schnell angenehmeren Noten weicht. Nach einer Weile riechen wir würzig-blumige Aromen. Die Tannine kleiden den Mund schön aus, der Wein präsentiert sich trocken und offenbart Anklänge von Kirsche, Schokolade, Sandelholz, Zimt und Kaffee. Dabei entwickelt er sich ungemein und wird mit der Zeit immer besser. Eine interessante Mischung aus Bodenständigkeit und Komplexität, die allerdings auch preislich die Sphären des einfachen Trinkweins verlässt: Die Flasche Grácil kostet vor Ort zehn Euro, dürfte also (wenn überhaupt) in Deutschland nicht unter 15 € zu haben sein.
Wir verabschieden uns von Matthew, der uns noch eine Flasche Grácil mitgibt und bleiben in Almendralejo. Aus dem polígono industrial, dem Gewerbegebiet fahren wir 5 Minuten in Richtung Stadtmitte, vorbei an einem Kreisverkehr mit der Aufschrift "Almendralejo Ciudad del Cava" (Stadt des Cava). Damit wären wir schon beim Thema unseres nächsten Ziels...