Anfang der achtziger Jahre versuchte ein Extremeño aus Almendralejo erstmals, Schaumwein nach der método tradicional, dem auch in der Champagne gebräuchlichen Verfahren der Flaschengärung, herzustellen und als Cava zu vermarkten. Damit waren natürlich die Katalanen aus der ursprünglichen Cava-Herkunftsregion, dem Penedès keineswegs einverstanden und es kam zu einigen Streitigkeiten, die natürlich immer auch im Zusammenhang mit dem ohnehin schwierigen Verhältnis zwischen Katalanen und Zentral- bzw. Südspaniern zu betrachten sind. Es waren also vermutlich politische Gründe, welche die Behörden veranlassten, 1985 den Ort Almendralejo als Produktionsstätte der D.O. Cava zuzulassen. Kommt es im Gespräch mit den Extremeños auf das Thema Schaumwein, sind Aussagen wie "seitdem wir unseren eigenen Cava haben, kaufen wir nicht mehr bei den Katalanen..." keine Seltenheit. Insbesondere die konservative Weinwirtschaft ist in Spanien eng mit der Politik verwoben. Inzwischen ist die Produktion von Cava in knapp 160 Gemeinden inner- und außerhalb des Penedès zulässig, wobei immer noch 98% in der Ursprungsregion in Katalonien produziert werden.
Die Bodega Via de la Plata ist die älteste Cava-Bodega in Almendralejo. Ihr Name leitet sich von historischen "Straße des Silbers" ab, die von den Römern zwischen Sevilla und Astorga in Castilla y León erbaut wurde und heute einen Teil des Jakobswegs bildet. Inzwischen gehört die Bodega einem größeren Konsortium an, dass auch Stillwein produziert. In der Bodega selbst darf jedoch von Gesetzes wegen nur Cava unter der dazugehörigen Denominación de Origen produziert werden, für sie gelten also die gleichen Regeln wie in Katalonien und sie ist nicht Teil der D.O. Ribera del Guadiana. Dementsprechend gestaltet sich auch die Rebsortenzusammensetzung der Weinberge, die übrigens allesamt in Almendralejo stehen (müssen): Keine autochthonen Sorten, sondern die klassischen Cava-Sorten Macabeo, Parellada und Xarel·lo bilden die Standard-Cuvée. Außerdem werden Chardonnay, sowie, für den Rosado, Garnacha und Pinot Noir gelesen. Chardonnay ist uns in dieser Gegend schon öfter begegnet, doch Macabeo und Pinot Noir? Ob das gut gehen kann, fragen wir den Önologen, Evaristo de Vega. "Natürlich" entgegnet dieser, schließlich hätten auch Syrah und Cabernet Sauvignon hier Fuß gefasst. Wir bleiben skeptisch und warten gespannt auf die Verkostung. Doch zunächst besichtigen wir die Kellerei. Diese ist im Kampf gegen die Hitze komplett klimatisiert und arbeitet vollkommen reduktiv. Evaristos Ziel ist vor allem Frucht, er möchte Cavas, die Spaß machen und keine komplizierten, mineralischen oder gar salzigen Meditationsschaumweine produzieren. Für seine Begriffe hat ein guter Cava "un poco de panadería" - erinnert also an Backwaren - und sonst nur das primäre Aroma der Trauben. Er versuche, die natürliche Säure zu bewahren und benutzt zur Dosage lediglich die eigene Mostsüße. Seine Hefe bezieht Evaristo aus der Champagne, obgleich er ein anderes Produkt erzielen und nicht bloß "billigen Champagner" herstellen möchte. Ein entscheidender Unterschied in der Produktion sei (neben den verwendeten Rebsorten), dass in Spanien üblicherweise nur die Grundweine eines einzigen Jahrgangs in der Flasche landeten, während in Frankreich mehrere Jahrgänge verschnitten würden. Dies führe auch zur deutlich helleren Farbe des Cavas im Vergleich zum Champagner. Ansonsten ist Cava für den Önologen vor allem Physik. Immer wieder erklärt er uns detailliert die Bedeutung von Position der Flasche, Druck und Temperatur für die einzelnen Produktionsschritte. Einen sehr hohen Stellenwert hat für ihn die Perlage: feinperlig und lang anhaltend soll sie sein. Auch der Qualität des Verschlusses misst er hohe Bedeutung bei: Er bevorzugt und verwendet hochwertige Korken, die lange flexibel bleiben und unten mit zwei Platten Naturkork versehen sind. Zwei Platten, damit die Poren nicht übereinander liegen und der Klebstoff des gepressten Korks darüber sich nicht im Cava löst. Es sein im Übrigen ein gutes Zeichen, wenn der Korken mit viel Druck aus der Flasche fliegt, sagt Evaristo. Dennoch sollte man versuchen, möglichst viel Gas in der Flasche zu behalten und diese langsam im 45° Winkel öffnen. Außerdem: Den Cava unbedingt im Stehen aufbewahren! Zu welchem Essen er seinen Cava empfehle, fragen wir ihn. "Das ist ja das Tolle: Der Cava passt zu allem! Vor allem zu salzigem, fettigen Essen wie den Jamón Iberico!" entgegnet er überschwänglich. Die Kohlensäure reinige den Mund und könne deswegen zu wirklich jeder Mahlzeit, ob süß oder salzig getrunken werden...
Die unseren Besuch abschließende Verkostung bekräftigt Evaristos Interpretation des Cava: Hauptmerkmale der spumantes sind Frucht und eine fein-sprudelnde, anhaltende Perlage. Wir beginnen mit dem Semiseco Coupage aus 70% Macabeo und 30% Parellada. Die immerhin 35 Gramm Zucker pro Liter merkt man ihm nicht an, er erscheint trockener. Der Cava verströmt einen fruchtigen Duft, erinnert an Banane, Zitrus und ein wenig an Hefezopf. Vor Ort wird er für fünf Euro verkauft, wir sind uns sicher, dass man in Deutschland deutlich mehr für einen gleichwertigen Sekt zahlen würde.
Der Brut Nature Chardonnay (8€) zeigt sich erneut mit einer sprudelnden, sehr feinen Perlage. In Nase und Mund präsentiert er ein deutlich ausgeprägtes Zitrusaroma gepaart mit grünem Apfel. Der Eindruck verbleibt ein klein wenig im Gaumen. Ein sehr fruchtiger und frischer Cava, der allerdings nicht sonderlich komplex daherkommt, sondern sich eher in Richtung trockener Trinkspaß orientiert.
Da ist der günstigere Brut Nature Coupage (5€) schon vielschichtiger. Die Cuvée aus 70% Macabeo und 30% Parellada bildet ein wenig den Mittelweg aus dem trinkfreudigen, fruchtigen Typus, den uns die Bodega bisher präsentiert und den mineralisch-komplexen Cavas, die wir aus Katalonien gewohnt sind. Die Eindrücke von Zitrus paaren sich mit exotischen Früchten und einem vollmundigen, sich entwickelnden Mundgefühl. Dieser etwas elegantere Cava ist eindeutig unser Favorit und zu dem Preis sicherlich ein besserer Deal als die Flasche Freixenet aus dem Supermarkt.