Pago de las Encomiendas

Wir starten in Villafranca de los Barros. Das  weiß getünchte Dorf hat kaum 15 000 Einwohner und zählt dennoch zu einem der Zentren der Region Tierra de Barros, deren Name sich auf den typischen roten Lehmboden der Gegend bezieht. Zur Mittagszeit, während der Siesta, fühlt sich der Besucher wie in einem Western. Die Fassaden sind oft deutlich höher als die eigentlichen Häuschen, die zumeist über nicht mehr als ein oder zwei Stockwerke verfügen. Ihre Schatten schützen uns vor der sengenden Hitze, während wir uns durch die staubigen Straßen  kämpfen. Wir erfrischen uns in einer der auch zu dieser Zeit belebten Bars des Ortes und erleben die typische Gastfreundschaft der Extremeños. Lebhaft gestikulierende und scherzende Kellner bringen uns für nur einen Euro eine eiskalte Caña (0,2 Liter Bier) mit köstlichen Tapas dazu. Zu jedem Getränk erhalten wir zum Beispiel ein Tellerchen aceitunas (Oliven), estofado (Eintopf), riñones (Nierchen) oder carillada (geschmorte Schweinsbäckchen). Die Portionsgrößen fallen dabei deutlich größer aus als beispielsweise in Málaga, Sevilla oder gar Madrid. Wir trinken noch einen Café con leche und begeben uns gestärkt zur ersten Bodega unserer Reise.

Weinberge Tierra de Barros Viñas VIllafranca de los Barros
Der Name der Region um Villafranca - Tierra de Barros - leitet sich vom roten Lehmboden der Gegend ab

Am Ortsrand von Villafranca liegt Pago de las Encomiendas. Ein Pago entspricht in etwa dem französischen Château oder der portugiesischen Quinta. Diese Weingüter liegen oftmals außerhalb einer Ortschaft, sind umgeben von ihren Rebflächen und stellen somit ein vergleichbar begrenztes Terrain wie die in Deutschland bekannten Lagen dar. Keine Regel ohne Ausnahme: Die erst 2007 gegründete Bodega bezieht ihre Trauben auch aus Weinbergen, die nicht auf dem Gelände des Pago liegen. Angebaut werden TempranilloGracianoSyrahPetit Verdot und die weiße, autochthone Cayetanaerklärt uns Ángel, ein junger Mann Mitte 20, der uns die Bodega zeigt. Die besten 30% der gelesenen Trauben werden hier gekeltert, der Rest kommt in eine zugehörige Bodega im nahe gelegenen Ribera del Fresno und wird dort zu einfachem Faßwein verarbeitet. Die Erträge der Reben werden reduziert, um eine bessere Aromenkonzentration zu erreichen. Die Trauben werden in der Kühle der Nacht gelesen, selektiert und für den tinto, den Rotwein, ohne Druck von oben in Edelstahltanks gefüllt. Bei diesem Verfahren werden die Beeren lediglich durch das Gewicht der darüber liegenden Trauben angequetscht, so vermeidet man einerseits die Extraktion unerwünschter Aromen, andererseits bleibt die Saftausbeute deutlich geringer als bei maschinellen Verfahren. Zwei bis dreimal am Tag wird der Most unten aus dem Fass abgelassen und von oben wieder eingefüllt, um den sombrero, den Tresterhut, aufzulösen und in der Flüssigkeit zu verteilen (Unter dem Tresterhut versteht man die übrigbleibenden Teile der Beeren, Schalen und Kerne, welche dem Wein Farbe und Aroma verleihen. Er muss in der Rotweinproduktion immer wieder in den Most untergearbeitet werden, da er sonst an der Oberfläche schwimmt und eintrocknet). Der gesamte Gärprozess findet unter rigoroser Temperaturkontrolle mit dem Ziel statt, möglichst viel Frucht und Aroma im Wein zu erhalten. In den ersten Tagen wird die Temperatur in den gekühlten Tanks unter sechs Grad gehalten. Um Oxidation zu vermeiden, sind die Tanks mit mobilen Deckeln ausgestattet, sodass es nicht nötig ist, das komplette Volumen des Tanks zu befüllen. Am Ende der Maischegärung wird der Wein abgezogen, zur gewünschten Cuvee verschnitten und in alten und neuen 500 Liter-Eichenholzfässern eingelagert, die auf Rollen gelagert sind und immer wieder um 360 Grad gedreht werden. Der Weißwein der Bodega wird in einem schonenden Verfahren über mehrere Stunden gepresst. Dabei wird schweres Gas eingesetzt, um Oxidation zu vermeiden. Das entspricht der erwünschten Stilistik der Weißweine, die größtenteils vor Ort verkauft werden. Die Extremeños bevorzugen einfache, fruchtige und leichte Sommerweine, gerne auch semiseco, also halbtrocken.

So präsentiert sich auch der erste verkostete Wein, der Nadir Blanco 2016. Die Nadir-Linie ist so etwas wie die Visitenkarte der Bodega. Der Name leite sich vom Arabischen ab und bedeute soviel wie "Der Ursprung der Erde", erklärt uns Ángel. In der Nase zeigt sich der blanco mit intensivem Duft, fruchtig-mostig mit Anklängen von Banane, geprägt durch Hefearomen. Im Mund dann deutlich weniger explosiv, mit leichter südländischer Herbe und kurzem Nachhall. Ein netter, sommerlicher Trinkwein, der sich ohne Anstrengung und zuviel Nachdenken trinken lässt und die immerhin 13% Alkohol gefährlich gut kaschiert. 

Stahltanks Pago las Encomiendas VIllafranca de los Barros
Die konische Form der gekühlten Stahltanks sorgt für einen kleineren Maischehut - dieser lässt sich so besser in den Most unterspülen

Der Rosé des Hauses, Nadir Rosado 2016, zeigt sich deutlich außergewöhnlicher. Das fängt bereits bei der - etwas gewöhnungsbedürftigen - Flasche an. Die Cuvee aus jeweils 50% Tempranillo und Petit Verdot verströmt einen extrem fruchtigen, beinahe süßlichen Duft von Pfirsich, Himbeere, Erdbeere und Zitrone. Im Mund präsentiert sich der Wein wie verwandelt - trocken, vollmundig, gereifter und geschmeidig. Die Zitrusfrüchte wandeln sich zu Orange und Mandarine. Ein spezieller, komplexer Rosé, der einem in der Nase jugendlich und explosiv und beim Trinken etwas gesetzter erscheint. Rosé-Weine sind selten vielschichtig, dieser hier ist es und hat dafür regionale und nationale Auszeichnungen erhalten. Für Ángel ist der Wein eine Herzensangelenheit: "Der Rosado hat das Image, zwischen Weiß- und Rotwein zu stehen und wird deswegen gerade beim Essen oft nicht beachtet. Dabei passt er zu so vielem: Fisch, Salat, Paella und zu leichtem Fleisch!" Nochmals Achtung: Kaum merklich haben sich hier 14% Alkohol eingeschlichen! 

Nadir Rosado Wein Pago las Encomiendas Villafranca de los Barros Ribera del Guadiana
Geschmackssache: das Design des Nadir Rosado

Der dritte im Bunde ist der meistverkaufte Wein der Bodega - der Nadir Tinto 2016: Jeweils zu 50% aus Tempranillo und Syrah gekeltert, wird der violett schimmernde Wein vor allem von letzterem geprägt - typische Syrah-Aromen von Pflaumen, Trockenobst und Gewürzen steigen in die Nase. Dazu etwas dunkle Beeren und etwas ein wenig "wildes", fast animalisches im Hintergrund. Vielleicht lässt man dem Wein noch etwas Zeit, sein Potential zu entfalten. Den vier Monaten im Holzfass können noch ein paar mehr auf der Flasche folgen. Auch diesem Tropfen hat die Sonne der Extremadura ganze 14,5% mitgegeben. Dennoch handelt es sich nicht um eine schwere Wuchtbrumme, sondern um einen ausbalancierten Wein ohne viel Trinkwiderstand.

Zum Abschluss unseres Besuchs zeigt uns Ángel eine neben der Bodega gelegene Baustelle. Eine große runde Halle aus Holzfachwerk steht bereits. Hier entsteht zur Zeit eine dritte Bodega, die sich der Produktion biodynamischer Weine widmet. Auch in der Periphärie Europas ist der Geist der Zeit angekommen... 

Wir verabschieden uns von Ángel und fahren ins 20 Kilometer südlich gelegene Zafra, wo wir die Nacht verbringen werden. In der kleinen, pittoresken Altstadt des Städtchens, auf der Plaza Grande, machen wir es uns gemütlich und lassen den Abend mit den raffinierten, in der ganzen Region berühmten Tapas der hiesigen Bars und Restaurants ausklingen.