Es ist schon interessant, wie unterschiedlich die Assoziationen bei der Verwendung dieser beiden Synonyme sein können: Zum einen der Lemberger, der einfache, süffige und fruchtige Schwabe, zum anderen Blaufränkisch, ein dunkler, ernster und komplexer Burgenländer zum Weglegen. Ich hatte Lust, mir mal ein paar Flaschen dieser wahnsinnig spannenden Rebsorte zu Gemüte zu führen, wählte mit einem Freund ein paar Flaschen aus, lud ein paar weitere Freunde und Freundinnen ein und dann wurde verkostet. Zur Eichung des Gaumens (externe Validität) gesellte sich noch eine Flasche merlotlastiger Standard-Bordeaux und zum Spaß - es wurden weder Kosten noch Mühen gescheut - ein halbtrockener Trollinger-Lemberger aus der Literflasche vom Aldi dazu.
Als Fazit lässt sich in der Tat festhalten, dass die deutschen Vertreter eher auf der filigranen, rotbeerigen Seite stehen, während die Österreicher mit mehr Kraft und dunklen Beeren aufwarten. Kurz und knapp: Lemberger schmeckt nach Sauerkirsche, Blaufränkisch nach Schwarzkirsche (und ein bisschen mehr...). Die detaillierte Beschreibung der Weine erfolgt heute mal in chronologischer Reihenfolge.
Zu Beginn gab's einen Wein aus der Nachbarschaft: Das Weingut Bielig liegt in Schriesheim an der Badischen Bergstraße, direkt neben dem Ort der Verkostung, dem schönen Heidelberg. Georg Bielig, der hauptberuflich Betriebsleiter und Kellermeister eines anderen Weinguts ist, erzeugt hier bodenständiges bis abgefahrenes zu überraschend günstigen Preisen. Gerade einmal 4,5 Hektar umfasst Bieligs "Hobby", der Fokus liegt auf Burgundern und roten aus dem Holzfass.
Der einfache Lemberger (es gibt auch eine edlere Variante aus dem Barrique) wuchs auf dem Lösslehm des Schriesheimer Staudenbergs in Südwestexposition, wurde 8 Tage im offenen Bottich auf der Maische vergoren und kam dann noch 8 Monate ins gebrauchte Barrique. Das Produkt ist der Archetyp des Alltagsweines: Schlank, süffig, ausgewogen und mit der typischen Sauerkirsche in unverhofft intensiver Ausprägung. Für 5 Euro die Pulle ist das perfektes Material, um eine Gartenparty zu bestücken. Ich habe mir den Spaß erlaubt, meine Gäste den Preis schätzen zu lassen und die kamen im Schnitt auf neun Euro dreiundachtzig. Bewerten lassen habe ich sie den Wein auch gleich, das Ergebnis waren gute 8,0 Punkte. Preis-Leistungs-technisch ist das erste Sahne. Beschreiben mussten die bedauernswerten Versuchskaninchen die Weine auch noch, hier wurde einhellig die Sauerkirsche angeführt. Der und die eine oder andere meinte außerdem, Rosen, Honig, einen Hauch von Rauch und sogar etwas Nelke ausfindig zu machen.
In der Aromatik erstaunlich ähnlich, aber doch mit anderer (mehr) Struktur, der VDP-Lagenwein aus Württemberg. Auf dem Hebsacker Lichtenberg wachsen die Reben auf Keuper und Mergel, also steiniger und vermutlich auch etwas steiler und höher als in Schriesheim. Wieder deutlich Sauerkirsche, doch diesmal mit mehr Rückgrat, Bumms, Körper und Tannin. Allerdings immernoch meilenweit von fett entfernt. Die Aromenbeschreibung werden etwas vielfältiger - zur Kirsche gesellen sich Himbeere, wiederum Nelke, Cranberry und rote Johannisbeere. Wir sind also immer noch klar bei der roten Frucht, wobei das dunkelbeerige zunimmt. Langsam gesellt sich etwas Schwarzkirsche, beim ein oder anderen sogar Brombeere, dazu. Außerdem etwas Rauch und Pfeffer. Die Säure ist strahlender und ein Hauch von Mineralik macht sich bemerkbar. Interessanterweise liegt der geschätzte Preis unter dem vom Bielig: 9,38 sind's diesmal im Schnitt, in Wahrheit kostet der Wein 13. Punktemäßig gibts ne 8,0, genau wie beim 8 Euro günstigeren Kurpfälzer.
Jetzt wird's plötzlich anders, wir sind im Burgenland. Claus Preisinger ist ein junger Winzer, der die Reben für diesen Wein auf vom Kalk geprägten Böden im Norden des Neusiedlersees biodynamisch anbaut. Die Gärung erfolgt spontan, der Ausbau wiederum 8 Monate im gebrauchten Barrique. Zunächst einmal ist natürlich deutlich zu erkennen, dass da ein jüngerer Wein im Glas ist. Das moussiert etwas, kommt insgesamt etwas ungestümer, rauer daher. Tannin und Säure geben sich wie kräftig gebaute Securities, die vor der Bühne dafür Sorge tragen, dass die kreativen und sensiblen Künstler auf der Bühne ihr leicht anarchisch anmutendes Programm zum Besten geben können. Man meint, das biodynamische schmecken zu können. Zur obligatorischen Sauer- und Schwarzkirsche gesellen sich schwarze Johannisbeere, dunkler Kakao, Tabak, Leder, Holz und Erdbeere. Etwas Rhabarber und eine Prise Meersalz. Der Wein entwickelt sich ungemein im Glas und macht geneigten Entdecker*innen richtig Freude. Relativ akkurat wird sein Preis auf 11 Euro geschätzt, bezahlt haben wir 10,50. Punkte gab's auch, und zwar überzeugende 8,4 Stück.
Umathum ist eine derartige Rotweinkoryphäe im Burgenland, da wollte ich auch einen dabeihaben. Dafür musste dann leider der Krutzler dran glauben, irgendwo muss auch der Weinpsycho Grenzen ziehen. Seeger haben wir auch mit tränenden Augen gestrichen. Kann man aber alles nachholen. Zurück zum Umathum. Josef Umathum hat den Zweigelt salonfähig gemacht, heißt es. Jetzt ist aber der Papa dran, sprich Blaufränkisch. Auch hier wird biodynamisch gearbeitet, mit geringen Erträgen versteht sich. Diesmal wachsen die Reben an der Nordwestseite des Neusiedlersees, auf Muschelkalk, kalkreichem Lehm und etwas Schiefer. 14 Tage wird dann auf der Maische gegoren, bevor es für 12 Monate ins gebrauchte Holz geht.
Das ganze hat wiederum Power, ist dunkelbeerig und erdig. Schwarzkirsche, Brombeere, Pfeffer, Rauch und etwas, das irgendwo zwischen Teer, Blätterteig, rohem Rindfleisch und Blutorange changiert, vielleicht auch ganz leicht ins laktische gehend. Ich rieche vor allem blutiges, rohes rotes Fleisch. Das ist zweifelsohne ein ungemein spannender Wein, wobei ich den Preisinger doch ein Stück davor sehe. Geschätzt kostet dieser Wein 13,60, in echt gibt's ihn sogar einen guten Euro günstiger und das ist kein Cent zu viel! Es ist zum Mäusemelken: wiederum 8,4 Punkte.
Ich nehm's vorweg: Für mich die Offenbarung des Abends. St. Antonys Einstiegsblaufränkisch. Wie gut sind da erst die höheren Qualitäten? Das tänzelt zwischen roten und dunklen Beeren hin und her, begleitet von kühler Minze und duftenden getrockneten Tabakblättern. Das Holz ist fein ausbalanciert und lässt der Frucht höflich den Vortritt. Das Tannin ist geschliffen wie nochwas. Irre, wie filigran und mineralisch das über die Zunge fließt. Auch die Anderen fanden ihn nicht so schlecht. Himbeere, Preiselbeere, Holunderbeere, Brombeere, also quasi alle Beeren dieser Welt wurden in diesem Wein entdeckt. Dazu Tabak, Leder, ein Hauch Pfeffer.
Wie wird der Wein gemacht? Laut Heiner Lobenberg wachsen die Reben wohl im Ölberg und im Pettenthal, also den gehypten Niersteiner roter Schiefer-Lagen, die vor allem Rieslingfreaks hierzulande arm machen. Über 20 Tage wird auf der Maische vergoren, dann geht's für ein Jahr zum Reifen ins Barrique (zum Großteil gebraucht) auf die Hefe und dann nochmal ein halbes Jahr ins Stückfass. Dann endlich wird unfiltriert abgefüllt. Das ganze kostet dann 16 Euro, nicht 19,50 wie unsere Verkoster dachten. Ich bin dennoch erstaunt, wie akkurat die Schwarmintelligenz Preise schätzen kann. Vielleicht mache ich das jetzt öfter. 9,1 Punkte sind das im Durchschnitt. Das ist ein wahnsinnig guter Wert, ich bin dennoch etwas angefressen, weil unsere VerkosterInnen so streng waren. Da kann man ruhig noch mehr geben...
Zum Abschluss gab's einen 2012er aus österreichisch-ungarischer Koproduktion. Beziehungsweise stehen die Reben in Ungarn (Sopron), der Wein wurde aber im Burgenland gekeltert und zwar von keinem geringeren als Uwe Schiefer. "Pala" nennt sich der Wein, was wohl Schiefer auf Ungarisch heißt. Wenn die Gerüchteküche sich nicht vertut, wächst dieser Wein passenderweise auch noch zum Teil auf Schieferböden. Zufälle gibt's. Quarz und Lehm spielen auch eine Rolle, vergoren wird spontan, ausgebaut im großen Holz, auf Filtration und Schönung wird verzichtet. Jedenfalls ist dies wohl der letzte Jahrgang dieses Weines, was wirklich schade ist. Wir haben es hier nämlich mit einem besonderen Tropfen zu tun, dem die paar Jährchen Reife ganz gut stehen. Das ist nämlich ein Kunstwerk, das die Eigenschaften Komplexität und Harmonie in einer unnachahmlichen Weise vereint. Und genau das ist es doch, was wir Weinfreaks suchen. Das ist alles so schön verwoben und integriert! Auf der Aromaseite haben wir hier Kirsche, Brombeere und etwas Holunder, gewürzt mit Zimt, Nelke, und wiederum ganz feinem Tabak. Eine Verkosterin fühlt sich in einen dunklen Wald versetzt, ich schmecke Marzipan. Ich bin jedenfalls glücklich, das probiert zu haben und noch eine zweite Flasche im Weinschrank liegen zu haben. Weine dieser Preisklasse trinke ich nämlich nicht jeden Abend. Jetzt kommt's: Auf 21,75 wurde er geschätzt, 21,50 Euro kostet er. Ich glaube langsam, meine Freunde haben geschummelt. Großartige 9 Punkte gab's von der knausrigen Truppe.
Wein | Herkunft | Preis | Bewertung |
St. Antony - Blaufränkisch am Turm 2015 | Rheinhessen (D) | 16,00 € |
9,06 |
Uwe Schiefer - Blaufränkisch Pala 2012 | Sopron (H) | 21,50 € |
9,03 |
Claus Preisinger - Blaufränkisch Kalkstein 2017 | Burgenland (A) | 10,50 € |
8,41 |
Umathum - Blaufränkisch 2016 | Burgenland (A) | 12,50 € |
8,37 |
Ellwanger - Hebsacker Lichtenberg Lemberger VDP.Erste Lage | Württemberg (D) | 13,00 € |
8,01 |
Bielig - Schriesheimer Lemberger trocken | Baden (D) | 5,00 € |
7,99 |
Chateau Les Rosiers - Bordeaux 2015 | Bordeaux (F) | 7,50 € |
7,42 |
WZG Collection Württemberg - Trollinger mit Lemberger halbtrocken 2017 | Württemberg (D) | 3,60 € |
7,08 |
Und hier ganz ohne Geschwafel die Aromenprofile unserer Vergleichsweine. Fazit: Beide nicht so toll.